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RPG allgemein: Spielen Richtung Zukunft (Blog) {Railroading}
5.6.2012, 21:09
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Dom
Beim letzten Mal habe ich erstmal darüber philosophiert, was Railroading ist und festgestellt, dass die Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten der Spieler der Schlüssel ist. Als ein Problem habe ich herausgestellt, dass die Spielerfiguren zum Spiel passen müssen, um einen Zwang zum Railroading zu vermeiden. Im PS schrub ich dann:

Zitat:

Ein anderer beliebter Grund für Railroading ist übrigens die Abhängigkeit der Spielleiterin von einer bestimmten Situation in der Zukunft. Das würde aber hier den Rahmen sprengen.
Jetzt stellt man sich vielleicht die Frage: Warum sollte das so sein? Warum sollte jemand so blöd sein, sich von einer Situation in der Zukunft abhängig zu machen? Und was kann man dagegen tun? Hierzu vier Beispiele.

1) Vorbereitung nach literarischem Spannungsbogen

Oft wird empfohlen, Abenteuer ähnlich wie eine Geschichte aufzubauen, mit Einleitung, Höhepunkt usw. Ich kenne diese Empfehlung vor allem aus der Das-Schwarze-Auge-Ecke, habe es aber auch schon anderswo gelesen. (Beispiel 1, Beispiel 2, auf die Schnell beide aus dem DSA-Umfeld) Vor allem der Höhepunkt bietet sich als Szene an, auf die die Spielleiterin hinarbeitet.

Wie man das vermeiden kann: Ich halte eh nicht so viel davon, eine Geschichte vorzubereiten. Die Geschichte ist das erlebte Spiel im Rückblick und nicht etwas, das man nachspielt. Meiner Meinung nach sollte die Vorbereitung zum Spielen also nicht nach den Regeln der Literatur erfolgen. Beispiele für eine sinnvolle Vorbereitung gibts unter anderem in meinem Buch, aber natürlich auch an vielen Stellen im Netz.

2) Abhängigkeit von Fremdmaterial

Am Ende muss das Mädchen leben, der Drache muss entkommen oder der Todesstern zerstört werden, damit auch Teil 2 und 3 der Kampagne gespielt werden kann, in die die Spielleiterin immerhin insgesamt 60 Eullar investiert hat.

Wie man das vermeiden kann: Wenn man Pech hat, ist die geforderte Situation sehr eng gefasst. Dann sollte die Spielleiterin sich vorher gut überlegen, was sie macht, wenn die Situation nicht erreicht wird. Das bedeutet eventuell recht viel Arbeit im Vorfeld (hier haben wir den übrigens eine möglichen faulen, railroadenden Spielleiterin erkannt)

Ist die Situation aber entsprechend breit, so reichen die passenden Spielerfiguren aus, um die gewünschte Situation (früher oder später) zu bekommen. Ansonsten stehe ich auf dem Standpunkt: Die Spielleiterin darf nicht das Kaufabenteuer leiten, sondern ihr eigenes. Natürlich kann sie das Kaufabenteuer als Grundlage für ihr eigenes Abenteuer benutzen.

3) Abhängigkeit von anderen Spielleiterinnen

Wenn sich Spielleiterinnen abwechseln, möchte sich die zweite vielleicht auch vorbereiten und auf einer bestimmten Situation aufsetzen. Oder mehrere Spielleiterinnen leiten parallel und die Gruppen sollen am Ende zusammenkommen.

Wie man das vermeiden kann: Das ist wahrscheinlich in der Praxis ein eher exotisches Problem. Wenn es aber aufzutreten droht: Versucht, die Dinge schon in der Vorbereitung loser zu koppeln.

4) Abhängigkeit von eigenem Material

Eine Spielleiterin hat eine coole Idee und möchte darauf hinarbeiten. Oder sie hat einfach zu viel vorbereitet und möchte das nicht umsonst gemacht haben. Beides ähnlich zur Abhängigkeit von Fremdmaterial.

Wie man das vermeiden kann: Letztendlich ist es egal, ob es eigenes oder Fremdmaterial ist. Die Spielleiterin sollte zusehen, dass sie nicht in das Problem läuft — gerade, wenn sie alles selber in der Hand hält sollte das möglich sein.
5.6.2012, 21:26
1of3
So wie du im vorigen Beitrag Railroading definiert hast, gibt es aber gar keinen Grund die hier vorgestellten Dinge zu vermeiden. Entweder fasst man den Begriff so wie du, dann handelt der Spielleiter auf eine gewisse Weise, um seine Vorstellungen durchzusetzen. Dann gibt es aber keinen Grund das zu verhindern zu suchen. Oder man fasst ihn allein von Rezipientenseite auf: Ein Teilnehmer fühlt sich in seiner spielerischen Freiheit ungebührlich eingeschränkt. Das würde ich tun und ist offensichtlich nicht wünschenswert.

Es kann natürlich sein, dass sich ein Teilnehmer ungebührlich eingschränkt fühlt, weil der SL gewisse Dinge durchzusetzen versucht. Dann ist aber das Mindestkriterium, dass der Teilnehmer das Agieren des SLs auch bemerkt. Und es sind also mindestens zwei weitere Kriterien, die man annehmen muss.
5.6.2012, 22:38
JensN
Wenn ich eigene Abenteuer ausdenke, dann gibt es meist bestimmte Punkte die vorkommen sollen. Ich fertige auch Mindmaps und Flowcharts an, lasse die NSCs möglichst realistisch nach ihrem Wissensstand flexibel agieren und reagieren — ABER es gibt halt doch einen Plot der in gewisser Weise vorgezeichnet ist, gerade weil wir oft auf Recherche ausgelegte Gruppen spielen. Meine Spieler sind soweit ich weiß zufrieden.

Nun frage ich mich trotzdem inwiefern ich mehr improvisieren soll? Ich weiß, dass ich Improvisation auch vorbereiten kann und passe, zwischen den Spielabenden, meine Vorbereitung entsprechend an, an die Richtung in die die Spieler das Spiel getragen haben, achte dabei darauf keine eigenen Fixen Planungen durchzudrücken. (zugegeben mache ich mir auf Cons nicht so viel Mühe, da ich den Zeitrahmen einschränkend finde)

In den vorangegangenen Beiträgen wird schon von einem gewissen Ideal gesprochen, doch wohin soll die Reise konkret gehen und wie?

Soll der Plot sich frei während des Spielens entwickeln oder ist es etwas anderes? Wie stark soll oder muss die SL dabei leiten? Ist damit ein hoher Mehraufwand verbunden, der eventuell das Hobby „zu aufwendig“ macht?

Ist das Ziel also die flexible Anpassung von Spielleitung an Spieler, möglichst kreativ sowie empathisch, und der Weg dorthin, so ist dies mMn nach ein zu erlernendes Handwerk und nicht die Anwendung von vorgefertigten Rezepten, die genauso ausreichen können um Spaß zu haben.
6.6.2012, 08:13
Jan
So gesehen gibt es eigentlich wenig Chancen, dass man als SL den Plot auf etwas hinsteuern muss, weil man sich von einer zukünftigen Situation abhängig gemacht hat. Für jedes Beispiel gibt es eine relativ einfache Vermeidungsstrategie. Besonders bei Kaufabenteuern möchte ich sehr dringend dazu raten Abenteuer, die eine zu enge Fortsetzung haben zu kaufen. So löst sich das Problem von selbst, denn die Schreiber müssen eine „realisitsche“ Flexibilität vorsehen, damit sie ihre Abenteuer überhaupt noch an den SL bringen.

@JensN: Spaß ist relativ. Wenn Euer Spiel wirklich mit eingeschränkten Plots arbeitet, dann behaupte ich, dass Euch freiere Abenteuer auf Dauer mehr Spaß machen werden. Wobei das voraus setzt, dass die Spieler Interesse daran haben das Abenteuer selbst voran zu treiben oder dieses Interesse entwickeln. Und es bedarf eines SL, der diese Spielart lebt und nicht nur „mal ausprobieren“. Sprich Du müsstest es lernen.

Aber bevor ich nun auf Euch rumprügel, fällt mir folgendes in Deinem Text auf: „ABER es gibt halt doch einen Plot der in gewisser Weise vorgezeichnet ist“. „In gewisser Weise“ ist hier der Schlüssel. Klar ist jedes Abenteuer in gewisser Weise vorgezeichnet, denn als SL hat man einen groben Plot im Hinterkopf während man vorbereitet und daraufhin richtet man den Aufbau aus. Das bedingt eben, dass damit ein Weg vorgezeichnet ist. Die wirkliche totale Freiheit ist glaube ich völlig unmöglich als SL zu leisten. Das ist aber auch nicht das Ziel. Mein Meinung nach jedenfalls. Das Ziel ist es, dass man seine Spieler in ihrer Handlungsfreiheit nicht beschneidet. Das man eben gewisse Aktionen nicht aktiv verhindert. Das heißt nicht, dass alle Aktionen durchführbar sein werden, denn manches wollen bestimmte NSC z.B. nicht. Das Problem ist, wenn der SL im Spiel aus irgendeinem Grund beschließt die Aktion eines Spielers oder der Spieler aktiv zu verhindern. Solange es aus der ingame-Sicht logisch zugeht und man nicht im Nachhinein starke Monster etc. ins Spiel bringt ist das soweit in Ordnung. Freiheit, die darüber hinaus geht ist nur von akademischem Interesse. Für eine reale Spielrunde hat sie keine Relevanz, denn wir sind alle nur Menschen, auch der SL.

10.6.2012, 18:07
><
Ich weiß nicht, ob man es als Lösung für die von Dom beschriebenen Situationen gelten lassen kann, wenn man auf diese verzichtet, indem man das Abenteuer nicht kauft ;-)
Für die, die mit einer festen Dramaturgie nicht klar kommen, ist das aber sicher die richtige Entscheidung.

Mich hat die Unausweichlichkeit verschiedener Geschehnisse in DSA-Abenteuern auch schon genervt.
Wir haben in „Das Turnier von Gareth“ den Attentäter recht überzeugend auf frischer Tat ertappt, wir hätten in „Unsterbliche Gier“ den Kessel buntes eigentlich noch rechtzeitig gekippt, aber es ging weiter, weil bestimmte Dinge eben kommen mussten.
Das war im ersten Moment frustrierend, allerdings hätte ich nicht für den Triumph des Augenblicks auf den Rest der Geschehnisse verzichten wollen. Da muss man Opfer bringen.

Keine Lösung ist es m. E. nicht den Helden den erabeiteten Triumph zu gönnen und dann außerhalb des AB den Bösewicht wiedererwecken zu lassen, den Schuft zu begnadigen etc.

Aufbauend kann es sein, kluges Handeln der Abenteuerer aben nicht sinnlos erscheinen zu lassen, sondern so zu belohnen, dass die unausweichliche Situation nicht beschädigt wird, aber ein gutes Gefühl dabei bleibt.
Stellen die Helden die Räuber also außerhalb, entkommt vielleicht der Anführer (oder er war diesmal nicht dabei, weil er sich mit einem schurkigen Kontaktmann aus der Stadt getroffen hat — den schnappt man sich beim Showdown in der Höhle und hat entweder einen zusätzlichen Fisch am Haken oder einfacheres Spiel.

In der Regel bereite ich unausweichliche Situationen als SL auch so vor, dass sie tatsächlich unausweichlich sind — und zwar im Spielkontext und ohne hinterher dazu zu erfinden…

Bei eigenen Szenarien verzichte ich meist auf eine „Geschichte“ sondern nehme mir einen Bausatz aus Personen, Interessen und optionalen Ereignissen. Dann roaden sich die Spieler selbst.
Mehr Realismus, weniger Drama.

><,p — mehr wollen die eh nich

11.6.2012, 17:38
Jan
Ich frage mich halt, warum ich mir ein Abenteuer kaufen soll, wenn ich dann irgendwie um die beschriebene Geschichte herum leiten muss, weil sie zu eng ist. Warum dass eine Situation nicht löst, das sehe ich nicht. Wenn ich gezwungen bin auf eine bestimmte Situation wegen eines Kaufabenteuers, das gerade läuft oder das ich später leiten will, hinzuarbeiten löse ich das doch wunderbar, indem ich das Abenteuer einfach von vorne herein gar nicht kaufe und damit weder jetzt noch später spielen kann oder muss. Ich finde, man sollte so etwas wirklich aktiv boykottieren. Schwubs! Idee für nen eigenen Blogartikel in der Hoffnung damit auch mehr Sichtbarkeit zu erreichen. In Kürze hier: www.herzliches-rollenspiel.de
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